Besser als der Durchschnitt - das Arbeitszeugnis

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. November 2014 - 9 AZR 584/13 ausgeführt, dass der Arbeitnehmer im Rechtsstreit vor den Gerichten für Arbeitssachen die Tatsachen vorzutragen und zu beweisen hat, die eine bessere Schlussbeurteilung rechtfertigen sollen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeugnis bescheinigt, er habe seine Leistungen „zur vollen Zufriedenheit“ erbracht.

In dem zu entscheidenden Fall hatte sich eine Arbeitnehmerin einer Zahnarztpraxis gegen den Inhalt des vom Arbeitgeber erteilten Zeugnisses gewandt. Die Klägerin war der Auffassung, ihr stünde die Beurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu, da ihre Arbeit tadellos gewesen sei und sie verschiedene Verbesserungen in der Praxis eingeführt habe. Die Beklagte wiederum meint, dass allenfalls eine Gesamtbewertung „zur vollen Zufriedenheit“ bescheinigt werden kann, da die Klägerin keine überdurchschnittlichen Leistungen erbracht habe und es zu zahlreichen Fehlleistungen gekommen sei.

Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung im Zeugnis erstrebt, entsprechende Leistungen vortragen und ggf. auch beweisen. Eine Beweislastumkehr lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass in der jeweiligen Branche bestimmte Schulnoten am häufigsten vergeben werden. 

Der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis ergibt sich aus § 109 I 3 GewO, wobei der Anspruch auf ein leistungsgerechtes und nicht ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis beschränkt ist.

Eine überdurchschnittliche Leistung liegt vor, wenn sie der Schulnote „gut“ oder „sehr gut“ entspricht. Der Arbeitgeber muss beurteilen wie „zufrieden“ er mit der Aufgabenerfüllung war. „Zufrieden“ meint in diesem Sinne jedoch eine objektive Beurteilung, die daran zu messen ist, wie die Anforderungen an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe sind. Ein Beurteilungsspielraum ist dem Arbeitgeber jedoch zuzubilligen. Stets zu beachten ist dabei die Wahrheitspflicht, was auch bedeutet, dass ein Zeugnis nur insoweit wohlwollend formuliert sein darf, wie es der Wahrheit entspricht.

Orientiert man sich an der Definition der Schulnoten, bedeutet „befriedigend“, dass die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht. „Gut“ wird erteilt, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht und „sehr gut“, wenn die Leistung den Anforderungen im besonderen Maße entspricht.
Demnach wird die Bescheinigung „zur vollen Zufriedenheit“ oder „ stets zur Zufriedenheit“ der Note „befriedigend“ zugerechnet, „stets zur vollsten Zufriedenheit“ der Note „sehr gut“, wobei man davon ausgeht, dass „befriedigend“ einer mittleren Note auf einer Zufriedenheitsskala entspricht.
Die Ausdrücke „stets“ oder „immer“ haben in der Zeugnissprache ebenfalls eine eigene Bedeutung. Jedoch geht diese nicht soweit, dass eine völlige Fehlerlosigkeit gemeint ist, sondern nur ein „Mehr“ im Vergleich zu dem, was üblicherweise erwartet werden konnte.

 

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